
Die UBS steht unter Schock. Mit einem solchen Urteil hatte die Schweizer Großbank nicht gerechnet. Sie soll die Rekordbuße von gut 3,7 Milliarden Euro sowie 800 Millionen Euro Schadenersatz an den französischen Staat berappen, wie gerade ein Pariser Strafgericht entschied.
Das Gericht sieht als erwiesen an, dass die Bank zwischen 2004 und 2012 systematisch in Frankreich Kunden anwarb und zur Steuerhinterziehung anstiftete. Dafür knöpften sich die Richter nicht nur die Bank vor, auch fünf ehemalige Führungskräfte wurden zu Bewährungs- und Geldstrafen verdonnert.
Schwarzgeld auf Konten in der Eidgenossenschaft vor dem Fiskus in der Heimat der ausländischen Kunden zu verstecken gehörte jahrzehntelang zum Erfolgsmodell der Schweizer Banken. Diese wiederum waren und sind ein tragender Pfeiler der Schweizer Wirtschaft, weshalb die Regierung in Bern das Bankgeheimnis, das diesem opportunistischen Geschäftsansatz zugrunde lag, lange eisern verteidigte.
Doch unter dem Druck der Amerikaner, die den Schweizer Banken mit Lizenzentzug in den Vereinigten Staaten drohten, knickten die Eidgenossen ein und trugen das lukrative Bankgeheimnis zu Grabe. Zusätzlich unter Druck gesetzt von Datendieben, die Steuersünder aus aller Welt ans Messer lieferten, deklarierten Zigtausende Kunden ihre unversteuerten Vermögen nach. Dies wiederum nutzten einige Steuerbehörden als Steilvorlage, um die Banken der Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu bezichtigen.
Die Bank fühlt sich ungerecht behandelt
Bisher haben die Schweizer Finanzhäuser diese Verfahren mehr oder minder elegant beendet, indem sie sich auf – zum Teil sehr kostspielige – außergerichtliche Vergleiche einließen. So auch die UBS, die den amerikanischen und deutschen Behörden 2009 und 2014 in Summe rund eine Milliarde Euro überwies.
Doch in Frankreich ließ es der Finanzriese aus Zürich auf einen Gerichtsprozess ankommen – zu hoch war aus Sicht der Juristen die Vergleichsforderung der Gegenseite, zu dünn deren Beweislage. Erstmals liegt nun also in einem Steuerstreit mit einer Schweizer Bank ein Gerichtsurteil vor. Dieses aber könnte für die UBS kaum verheerender sein. Und noch unangenehme Folgen haben.
Die Bank fühlt sich ungerecht behandelt. „Der oberflächliche Charakter des Urteils ist erstaunlich. Es wird nicht einmal versucht, den Anschein zu erwecken, als hätten unsere Argumente Gehör gefunden“, erzürnte sich der UBS-Chef Sergio Ermotti in einer Mitteilung an seine Mitarbeiter. Tatsächlich gibt es einige Ungereimtheiten in dem Urteil, das stark auf die Zeugen der Anklage abhebt, während die Argumente der Angeklagten weitgehend unberücksichtigt bleiben.
Nach Ansicht der UBS gibt es keine stichhaltigen Beweise, dass Bankmitarbeiter aus der Schweiz auf französischem Boden um Kunden warben, auf dass diese ihr französisches Schwarzgeld auf ein Schweizer Konto transferierten. Die Pariser Richter indes folgten der Anklage, die sich vor allem auf die belastenden Aussagen ehemaliger UBS-Mitarbeiter stützt. Und es ist völlig offen, ob die nächsten Instanzen zu einem anderen Urteil kommen.
Das Image der Bank leidet
Es kann fünf Jahre dauern, bis dieser Fall endgültig entschieden ist. Bis dahin herrscht das, was Investoren am wenigsten mögen: Unsicherheit.
Das Gerichtsverfahren in Frankreich schwebte bislang schon wie ein Damoklesschwert über der Bank. Jetzt heftet diesem auch noch ein Preisschild an. Die UBS musste in Paris zwar eine Kaution von 1,1 Milliarden Euro hinterlegen. Diese ist in der Bilanz jedoch als Guthaben verbucht.
Die bisher für diesen Steuerstreit gebildeten Rückstellungen dürften sich lediglich auf einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag belaufen. Entsprechend hoch ist nun das finanzielle Restrisiko. Die im Raum stehende Gesamtstrafe von 4,5 Milliarden Euro ist die höchste Buße, zu der eine Schweizer Bank je verurteilt worden ist. Sie ist etwas höher als der komplette Reingewinn der UBS im vergangenen Jahr.
Auch das Image der Bank, die für ihre gutbetuchten Kunden rund um den Globus 2 Billionen Dollar verwaltet, leidet unter dem Gerichtsverfahren, das nun weiterhin Schlagzeilen produzieren wird. Die dunklen Schatten der Vergangenheit verblassen also nicht und bleiben im Bewusstsein der Öffentlichkeit. Obwohl sich die Bank inzwischen rigoros von steuerunehrlichen Kunden getrennt hat. Und obwohl sie längst eine konsequente Weißgeldstrategie verfolgt. Für den ohnehin schwer gebeutelten Aktienkurs der UBS sind das keine schönen Perspektiven.
Hinzu kommt: Es lauern noch mehr Risiken. Sollte die Bank in Frankreich rechtskräftig wegen Steuerbetrug verurteilt werden, könnten auch finanzklamme Länder wie Italien und Spanien auf die Idee kommen, die UBS und andere Schweizer Vermögensverwalter wegen der alten Schwarzgeldgeschäfte zu verklagen. Schließlich haben in der Vergangenheit auch viele Italiener und Spanier unversteuerte Gelder auf Konten in der Eidgenossenschaft gebunkert.
Er glaube weiterhin, dass die Gerechtigkeit am Ende siegen werde, gab der Konzernchef Ermotti intern zu Protokoll. Aus diesem Satz spricht vor allem eins: Selbstgerechtigkeit.
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